TIPP 14.05.2020: Through the Darkest of Times – Widerstand ist eben nicht zwecklos…

Heute möchten wir euch ein preisgekröntes, rundenbasiertes Strategiespiel der ganz besonderen Art für PC und Mac vorstellen.

In Through the Darkest of Times schlüpft ihr in die Rolle eines*r Berliner*in zu Beginn der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Eure Spielfigur lässt sich entweder zufällig erstellen oder nach euren Wünschen modifizieren. Ich war mit meinem Zufallscharakter Lotte, einer jungen arbeitslosen Anarchistin, aber sehr zufrieden und konnte so direkt loslegen. Das Spiel beginnt am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Ihr entschließt euch in der Folge gemeinsam mit zwei Freund*innen in den Widerstand zu gehen, und von nun an das Regime aktiv zu bekämpfen.

Hat man den etwas langsamen Start des Spiels erst einmal hinter sich gebracht und das Widerstandsnest mit skurrilen Charakteren vom rassistischen Sozialdemokraten bis zum konservativen Monarchisten gefüllt, steht ein packendes Strategiespiel mit einnehmender Atmosphäre und wirklich kniffligen Entscheidungen bevor. In jeder Runde müssen die Mitglieder der Widerstandsgruppe auf verschiedene Aktivitäten in Berlin aufgeteilt werden; das kann ein Treffen mit den Arbeiter*innen einer Fabrik, ein Einkauf im Farbgeschäft oder die Teilnahme an einer verbotenen Tanzveranstaltung sein. Dabei bestimmen zwei Werte das Geschehen: die Moral der Gruppe, die durch spektakuläre Aktionen erhöht werden kann, aber durch das allgemeine Zeitgeschehen und bedrückende Nachrichten eigentlich kontinuierlich sinkt, und die Anzahl der Unterstützer*innen, die maßgeblich über finanzielle Ressourcen und Zugang zu weiteren Aktionen entscheidet und ebenfalls durch Spielerfolge beeinflusst werden kann. Die Mitglieder eurer Zelle können bei Aktionen verhaftet, beobachtet oder verletzt werden, weshalb eine umsichtige Ausrüstung und Vorbereitung essenziell sind. Zwischendurch treten eure Widerstandskämpfer*innen auch hin und wieder mit Nebenmissionen, wie zum Beispiel der Bespitzelung eines nationalsozialistischen Familienmitglieds, an euch heran. In diesen Punkten ist Through the Darkest of Times ein relativ klassisches runden-basiertes Strategiespiel.

Weniger klassisch für Strategiespiele ist die Erzählweise der Story, die der Protagonistin – in meinem Fall der Anarchistin Lotte – zwischen den Runden widerfährt und anhand kleiner, grafisch aufgehübschter Textsequenzen fast rollenspielartig erzählt wird. Über alltägliche Erfahrungen im jüdischen Lebensmittelgeschäft, mit dem Fahrrad am Alexanderplatz entlangradelnd oder in der Kneipe um die Ecke wird die Enge und Unaufhaltsamkeit des Zeitgeschehens nachvollziehbar. Während Lotte – verständlicherweise – immer paranoider wird, resultiert mein wachsender Drang, endlich etwas gegen dieses Unrecht zu unternehmen, in Leichtfertigkeit. Im Spiel mündet diese zum Glück nur in einer riskanteren Missionsplanung und der kurzfristigen Internierung von Lotte inklusive brutalem Verhör. Was derartige Erfahrungen für Auswirkungen auf echte Menschen gehabt haben müssen lässt sich allerhöchstens erahnen, als auch ich im Anschluss schon zweimal überlege, ob ich Lotte noch zum Papierkauf für Flugblätter schicken kann, oder ob das nicht lieber ein anderes Mitglied meiner Gruppe übernimmt. Runde für Runde wird so die Zuspitzung der Situation über Zeitungsartikel und Lottes Alltag erfahrbar.

Als Spieler erlebe ich, dass, auch wenn ich mir noch so sehr das Gegenteil wünsche und meine Aktionen perfide plane, ich langsam aber sicher vom Zeitgeschehen überrollt werde. Meine Widerstandszelle zerfleischt sich im politischen Kleinkrieg, immer mehr Mitglieder werden bei subversiven Aktionen beobachtet oder verletzt und Moral und Unterstützer*innen schwinden täglich. Gleichzeitig wird die Lage für die Opfer des Nazi-Regimes immer dramatischer, wie ich aus Lottes Alltag und der Zeitung erfahre.

Zum Thema Grafik und Gameplay: die wirklich wunderschön abstrakt gezeichneten Szenen gefallen mir persönlich außerordentlich gut; sie unterstützen den langsamen und bedachten Ablauf des Spiels, der nicht zuletzt auch der Textlastigkeit der Story geschuldet ist, perfekt. Aber – und das ist ein dickes aber – Through the Darkest of Times wagt hier auch einen Kompromiss. Das Computerspiel als immersive Methode zur Annäherung an die Alltagswirklichkeit im nationalsozialistischen Terrorregime ist eine durchaus zeitgemäße und attraktive Darstellungsform, mit der sich die Thematik insbesondere auch durch junge Menschen neu und anders erschließen lassen kann. Hinter diesen Möglichkeiten könnte das Spiel jedoch aufgrund seiner anfänglichen Trägheit und der doch recht eigenen, wenn auch meinem ganz persönlichen Geschmack auf jeden Fall entsprechenden, grafischen Darstellung teilweise zurückbleiben. Ob das Spiel in der Gaming-Szene Anklang finden und eine Alternative zu grafisch anspruchsvolleren Games darstellen kann ist fraglich. Hier hätte ein bisschen mehr Vertonung und ein bisschen weniger Text das Spiel vielleicht etwas zugänglicher gemacht. Umgedreht könnte Through the Darkest of Times es aber gerade auch deswegen gelingen, Gelegenheitsgamer*innen und zeitgeschichtlich interessierte Menschen vor den Bildschirm zu locken und für eine ganze Weile an seine Erzählung zu fesseln.

Das Spiel schafft es trotz der anfangs etwas langsamen Erzählweise und dem text- & rundenbasierten Gameplay ein packendes Narrativ mit gesellschaftspolitischer Relevanz zu liefern. Die Hoffnung, dass es doch in der nächsten Runde irgendwie gelingen muss, dem Regime das Genick zu brechen, treibt mich durch die Monate und Jahre geradewegs in die fatale, aber unaufhaltsame Realität unserer gemeinsamen Geschichte. Through the Darkest of Times ist daher eine absolute Kaufempfehlung für alle, die sich schon immer gefragt haben, warum so viele Menschen einfach nichts gegen den Nazi-Terror unternommen haben. Aber auch diejenigen, die sich dem Nationalsozialismus in Deutschland aus einer neuartigen Perspektive annähern wollen, ohne dabei gänzlich in absurde Ego-Shooter-Welten á la Wolfenstein abzudriften, können ruhigen Gewissen zugreifen. Für mich persönlich ist Through the Darkest of Times darüber hinaus einfach auch ein Must-Have für die gut sortierte Indie Games Collection.

Through the Darkest of Times wurde von Paintbucket Games entwickelt und kann für PC und Mac über die gängigen Appstores wie bspw. Steam für aktuell € 14,99 erworben werden.

Schreibe einen Kommentar